Zweifel

Wenn der Zweifel uns nimmt und begehrt, dann ist es um uns geschehen. Wir lassen ohne zu hinterfragen alles fallen, was wir in jenem Moment fühlen, denken, glauben oder für wahr halten. Und geben uns dem Begehren, vielmehr noch der Gier des Zweifels hin. Zweifeln bedingt die Entzweiung unserer selbst. Die zwei trennt und zerteilt, was einst eins, d.h. ganz war. Die zwei zerstört die Einheit in uns, indem sie dieser ent-springt und sich quasi fallen lässt in eine neue Erfahrung, jene der Zweiheit: Die Dualität. Hier begegnet uns ein Du, das per se kein Gegner ist, sondern lediglich ein Gegenüber, das nicht über unserem Ich steht sondern vis-à-vis. Auf Augenhöhe sozusagen. D.h. von Angesicht zu Angesicht, wo sich ein Du und ein Ich begegnen und nicht per se Gegner oder gegen etwas sind. Wenn uns also der Zweifel in die zwei führt und hin zum Du, wovor haben wir dann noch Angst? Wenn das Du doch kein Gegner ist, sondern nur ein Gegenüber, das uns von Angesicht zu Angesicht spiegelt, wer wir in Wahrheit sind. Vorausgesetzt wir sind tatsächlich geneigt, uns diesem Spiegel anheim zu geben und uns fallen zu lassen in die unendlichen Reflexionen, die der Zweifel in seinem Begehren für uns bereithält. Halten wir dem Stand? Können wir bei uns, d.h. in der Einheit bleiben und uns gleichzeitig der Zweiheit, sprich der Dualität und scheinbaren Trennung öffnen, ohne uns darin zu verlieren? Oder sind wir so überwältigt von der Erhabenheit der zwei, dass wir ihr stets zu Diensten sind und sie unterwürfig über uns stellen, sie also zu einem Gegner machen? ~ In der Einheit haben wir die Wahl, wie wir mit der zwei umgehen wollen. Betrachten wir das Zweifeln als schöpferisches Spiel von Geben und Nehmen und Austausch mit einem Gegenüber? Oder erschaffen wir uns einen unsichtbaren Gegner, den wir bekämpfen müssen? Haben wir die Einheit in uns gefunden, haben wir den Zweifel und uns selbst überwunden.

(Gehörtes aus dem lauschenden Sein, 4. September 2020, Birgitta Borghoff)

Schreiben Sie einen Kommentar