Angst

Die Angst. Welch’ wertvolles Geschenk eines Fühlens der besonderen Art, die uns tief trifft und bewegt. Sei sie bewusster oder unbewusster Natur. Ob wir uns ihr voll bewusst sind oder nicht, sie rüttelt uns auf und wirft uns mit voller Wucht aus der Komfortzone unseres routinierten Tuns und Wirkens. Ob bei Nacht oder mitten am Tage. Die Angst nimmt keine Rücksicht auf die Gesetze und Mechanismen unserer stark konditionierten dualen Welt. Stattdessen präsentiert sie sich erbarmungslos nackt. Als starke energiegeladene Emotion schiesst sie urplötzlich aus dem Nichts empor. Und konfrontiert uns mit den ureigenen Schatten und Potenzialen, die in uns verborgen liegen und sich so sehr sehnen, endlich gesehen zu werden. Endlich in die Arme genommen, berührt und genährt zu werden. Ist es also schlimm, unsere tiefsten Ängste für einmal nur wahrzunehmen? Mit allen Sinnen. Und uns auf ihr wahres Wesen voll und ganz einzulassen? Ihr standhaft in die Augen zu schauen? Und die Natur der sich preisgebenden Angst mit dem Licht unseres Bewusstseins aus verschiedenen Perspektiven zu erforschen? Was würde die Angst Dir sagen, wenn sie wie eine dunkle Wolke über Dir schwebt? Was würde sie sprechen, wenn sie Dich von hinten zurückhält? Was würde sie reden, wenn sie sich linker Hand an Dich heftet und ausbremst. Oder wenn sie Dir den Boden unter den Füssen wegzieht? Was würde diese Angst sagen, wenn Sie sprechen könnte? Welche Worte würde sie gebrauchen, um mit Dir in Kontakt zu kommen? Spricht sie in ganzen Sätzen oder knallt sie Dir grosse Worte um die Ohren? Was siehst Du, wenn Du sie einfach nur anschaust? Standhaft aber erwartungslos. Hat sie einen menschlichen Körper, Arme und Beine? Gestikuliert sie wild oder schlägt sie auf Dich ein? Oder schaut sie Dich einfach nur an, ganz erstaunt darüber, dass es da jemanden gibt, der ihr zum ersten Mal wirklich zuhört, was sie zu sagen hat? Wie verändert sich das Aussehen der Angst, wenn sie sich dessen gewahr wird, dass Du jetzt einfach da bist, ganz präsent? Wenn Du Dich also nicht wie gewohnt abwendest, davonläufst und fliehst, wie Du es so oft schon getan hast. Und ich frage Dich: Was oder wen siehst Du? Welcher Schatten will jetzt durchschritten und mit Deinem Bewusstsein durchlichtet werden, um Dir einen Teil Deines ureigenen Potenzials zurückzuerobern, das hinter der scheinbaren Dunkelheit verborgen liegt?

(Gehörtes aus dem lauschenden Sein, 16. September 2020, Birgitta Borghoff)

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