Durchsetzung ist die neue Setzung. Die Setzung eines Kontrapunkts sozusagen gegen das Gewohnte, Herkömmliche und Bekannte. Sich durchzusetzen bedingt, sich neu zu setzen, sich sozusagen in eine andere Position zu bringen und die Dinge aus einer neuen Perspektive zu betrachten, zu erfassen und dabei eine noch nicht erlebte Erfahrung zu machen. Wie ist es, sich durchzusetzen? Wie ist es, für einmal etwas durchzusitzen, anstatt aufzustehen und zu gehen, vielleicht sogar zu flüchten von etwas, was einfach durchsessen und in der Tiefe ausgesessen werden will? Wie ist es, in der scheinbaren Bewegungslosigkeit des Sitzens zu verweilen, ja zu verharren und zu warten? Und das so lange, bis der Impuls kommt, sich aus dem durchgesessenen Sitz zu erheben, den Blick in die Ferne auszuweiten und den ersten Schritt in eine unbekannte Richtung zu gehen. Da, wo noch kein Weg ist noch ein schmaler Pfad. Wo sich nicht einmal verwehte Spuren zeigen, die uns einen Anhaltspunkt geben könnten, in welche Richtung wir gehen können, wollen oder sollen? Halten wir das aus? Haben wir den Mut, uns auf unbekanntes Terrain zu begeben und neue Wege zu beschreiten, nachdem wir etwas durch- und ausgesessen und uns dadurch durchgesetzt haben? Stehen wir zur erlebten Durchsetzung und gehen wir weiter? Oder war allein das sich Durchsetzen Ziel unseres Begehrens, also die Durchsetzung um des reinen sich Durchsetzens Willens, die mehr dem Ego entspringt als der tiefen Leidenschaft der Seele, das Leben selbst zu durchsetzen. Mit Mut, ausdauernder Geduld und – weil bereits durchsessen – durchsetzender Liebe für jenes Anliegen, das einst gewählt hat, sich jetzt durchzusetzen und aufgrund dieser Wahl überhaupt erst in seine ureigene Durchsetzungs- und Schöpferkraft hineinwächst.
(Gehörtes aus dem lauschenden Sein,
12. September 2020, Birgitta Borghoff)